Spessartmuseum

im Schloss zu Lohr am Main

Schneewittchen - eine Lohrerin?

Ein hochrechteckiger Spiegel mit Aufsatz. Rahmen und Aufsatz sind rot belegt mit silberfarbenen Ornamenten. Der Aufsatz enthält zwei ovale Spruch-Medaillons mit französischer Aufschrift (deutsche Übersetzung: "Zum Lohn und zur Strafe" und "Eigenliebe / wahre Liebe")Der sogenannte Schneewittchenspiegel (Foto: M. Scherer)

1986 gelang es dem Lohrer Apotheker und Fabulologen, Dr. Karlheinz Bartels, unterstützt von den Geistesblitzen seiner Stammtischfreunde Werner Loibl (Museumsleiter) und Helmuth Walch (Schuhmachermeister) im Lohrer Weinhaus Mehling, „wissenschaftlich-fabulologisch“ einwandfrei zu beweisen, dass das Schneewittchen aus Lohr stammt (in seinem Artikel in der Zeitschrift Schönere Heimat, München, 75. Jg., Heft 2, 1986, „War Schneewittchen eine
Lohrerin“ und später in seinem Buch „Schneewittchen - zur Fabulologie des Spessarts“).

Das Schneewittchenkabinett im Spessartmuseum im Raum 113 setzt das Märchen in Szene als "Raum im Raum" - oder anders ausgedrückt: als begehbares Luftschloss.

Märchen waren schon immer ein Tummelplatz wissenschaftlicher Deutungsversuche.
Philologen, Soziologen und Psychologen durchleuchteten die Märchen der Grimms aus
unterschiedlichsten Perspektiven. Neu hinzugekommen ist die Fabulologie, wonach Text, Orte und Historie aufs Schönste in Einklang gebracht werden.

So konnte Bartels viele reale Bezugspunkte des Märchens in Lohr und Umgebung nachweisen. Allein das ist schon ein Grund für einen Besuch in Lohr, denn hier beginnt das Märchen vom Märchen:

Der Zauberspiegel? Ganz klar, in Lohr hatte es die Spiegelmanufaktur gegeben, gegründet 1698 vom Mainzer Kurfürsten Lothar Franz von Schönborn. Besonders beliebt zur Barockzeit waren mit Sinnsprüchen verzierte Spiegel - „sprechende Spiegel“ eben.

Der König und die Königin? Herr über die Stadt in dieser Zeit und Direktor der Spiegelmanufaktur war der Mainzer Oberamtmann Philipp Christoph von Erthal (1689 -1748). Er wohnte im Lohrer Schloss, zusammen mit seiner Frau Maria Eva, geb. von Bettendorf (gestorben 1738).

Schneewittchen und die Stiefmutter? Maria Sophia Margaretha Catharina, Freifräulein von Erthal, getauft am 19. Juni 1729 bekam mit ihren sechs Geschwistern 1741 eine Stiefmutter: Claudia Elisabeth Margarethe, geb. von Reichenstein, verwitwete von Venningen.

Die sieben Zwerge über den sieben Bergen? Im Norden des Spessarts, im Biebergrund, der zum Territorium der Grafschaft Hanau zählte, wurde seit dem 15. Jahrhundert Silber, Kupfer und Blei abgebaut. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts erlebte der Bergbau dort einen Aufschwung.
Viele Bergleute waren von kleinem Wuchs und trugen zur Arbeit Kittel und Kapuzen - Vorbild der klassischen Zwergentracht.
Auf dem Weg von Lohr zum Biebergrund sind 7 Bergrücken zu überqueren - vorausgesetzt, man zählt richtig.

Der gläserne Sarg und die eisernen Pantoffeln? Glasmacherei und Eisenverarbeitung haben im Spessart eine jahrhundertelange Tradition,
Wildschweine tummeln sich noch heute im wilden Wald, und der holde Königssohn bleibt anonym. Dem Schlossjäger aber überließ Schneewittchen ihre ramponierten Fluchtschuhe. Erst 1991 kamen sie wieder ans Tageslicht und fanden ihren Weg ins Museum - zum Gedächtnis an ein Märchen, das fortlebt in aller Welt.

Und wer’s nicht glaubt, zahlt einen Taler! Oder, wie es Dr. Karlheinz Bartels in der letzten Anmerkung seines Artikels ausdrückte:
„Und wenn wir wieder einmal Windeier aufschlagen, laden wir Sie wieder zum Essen ein.“